Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch – doch um die Zukunft zu verstehen, müssen wir die Vergangenheit kennen. In der Artikelserie 21 Tage New Work erkunden wir, wie sich Arbeit im Laufe der Geschichte verändert hat und welche Herausforderungen und Chancen die Zukunft für uns bereithält.
Teil 1: Wie hat sich die Bedeutung, die gesellschaftliche Wertschätzung und die Organisation von Arbeit in verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte verändert?
Arbeit – ein Begriff, der heute oft mit Mühsal, Druck und Leistung verbunden wird. Im Deutschen bedeutet „Arbeit“ ursprünglich „Mühe“ und „Plage“, das englische „labour“ verweist auf Anstrengung, während das französische „travail“ von tripalium abstammt – einem römischen Folterinstrument. Doch war Arbeit immer mit einer negativen Konnotation verbunden? Wie hat sich ihre gesellschaftliche Wertschätzung und Organisation im Laufe der Jahrhunderte verändert? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Arbeit mehr als nur ein Mittel zum Lebensunterhalt ist – sie ist ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen, technologischer Fortschritte und philosophischer Strömungen.
Von Jägern und Sammlern zur ersten Spezialisierung: Die neolithische Revolution
Vor etwa 1,2 Millionen Jahren war „Arbeit“ nicht mehr als eine Notwendigkeit zum Überleben. Menschen lebten als Jäger und Sammler, in einem Kreislauf aus Nahrungssuche und Fortbewegung. Es gab keine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit – beides war Teil des alltäglichen Daseins.

Die Sesshaftigkeit und der Übergang zu Ackerbau und Viehzucht führten zu einer grundlegenden Veränderung der Arbeitsweise.
Mit der neolithischen Revolution um 10.000 v. Chr. veränderte sich dies grundlegend. Der Mensch wurde sesshaft, betrieb Ackerbau und Viehzucht. Diese Entwicklung führte zu einer neuen Organisation der Arbeit: Menschen spezialisierten sich auf verschiedene Tätigkeiten, was die Grundlage für Berufe wie Handwerker, Händler oder Bauern schuf. Die Möglichkeit, Vorräte anzulegen und mit Überschüssen zu handeln, legte den Grundstein für den wirtschaftlichen Austausch und eine frühe Form der Arbeitsteilung.
Antike: Arbeit als Notwendigkeit oder Zeichen der Unfreiheit?
In den Hochkulturen des Altertums war die Wahrnehmung von Arbeit gespalten. Während in Ägypten und Mesopotamien Handwerks- und Bauernarbeit hoch angesehen waren, galt sie in Griechenland als eine niedrige, ja fast verachtenswerte Tätigkeit. Aristoteles sah Arbeit im Gegensatz zur Freiheit – wer arbeiten musste, um zu leben, sei unfrei. Körperliche Arbeit war Sklaven, Frauen und Knechten vorbehalten, während sich die wohlhabende Schicht auf geistige Tätigkeiten und politische Partizipation konzentrierte.
In Rom änderte sich diese Haltung teilweise. Während Cicero handwerkliche Tätigkeiten als „schmutzig“ abtat, erhielten Bauern und Handwerker in der Zeit der Republik mehr Anerkennung. Die zunehmende Professionalisierung von Berufen führte zu ersten Formen organisierter Arbeit, wenngleich Sklavenarbeit weiterhin dominierte.
Mittelalter: Arbeit als gottgegebene Pflicht und soziale Ordnung
Mit dem Aufstieg des Christentums erhielt Arbeit eine neue Bedeutung. Während sie im Judentum bereits als gottgewollt galt („Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“, Paulus), verstärkte das Christentum diese Vorstellung: Arbeit war kein Fluch, sondern eine gottgegebene Pflicht. Jesus selbst war Zimmermann, und die Benediktiner forderten „Ora et labora“ – bete und arbeite.

Die Entstehung von Zünften und Gilden im Mittelalter organisierten die gewerbliche Arbeit und schufen einheitliche Regeln für Ausbildung und soziale Absicherung.
Die mittelalterliche Gesellschaft teilte sich in drei Stände: Klerus (Beten), Adel (Kämpfen) und Bauern/Handwerker (Arbeiten). Vor allem die Zünfte und Gilden, in denen sich Handwerker und Händler zusammenschlossen, spielten eine zentrale Rolle in der Organisation der Arbeit. Diese Verbände sorgten für Qualitätsstandards, geregelte Arbeitszeiten und soziale Absicherung – ein früher Vorläufer der modernen Arbeitnehmerrechte.
Reformation und Aufklärung: Der moralische Wert der Arbeit
Die Reformation im 16. Jahrhundert brachte eine fundamentale Veränderung im Verständnis von Arbeit. Martin Luther erklärte, dass Arbeit gottgewollt sei und jeder Mensch seine Berufung darin finden müsse. Müßiggang wurde zur Sünde erklärt, Arbeit zur persönlichen Erfüllung. Dies legte den Grundstein für die protestantische Arbeitsethik, die bis heute das westliche Arbeitsverständnis prägt.
Im 17. und 18. Jahrhundert differenzierten Denker wie Thomas Hobbes, Adam Smith und Immanuel Kant zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit. Der Kapitalismus begann sich zu entfalten: Arbeit wurde zunehmend als Mittel zur Wohlstandsmehrung gesehen. Die entstehenden Manufakturen führten zur weiteren Spezialisierung, und die Trennung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit verfestigte sich.
Industrielle Revolution: Vom Handwerk zur Fabrikarbeit
Mit der industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert wurde Arbeit radikal umgestaltet. Maschinen übernahmen mechanische Aufgaben, Menschen wurden zu Lohnarbeitern. Fabriken entstanden, Arbeitskräfte waren nun von Arbeitgebern abhängig. Diese neue Form der Arbeitsteilung führte zu enormer Produktivitätssteigerung, aber auch zu Ausbeutung: lange Arbeitszeiten, Kinderarbeit und schlechte Arbeitsbedingungen prägten den Alltag vieler Arbeiter.

Die Erfindung der Dampfmaschine revolutionierte die Arbeitswelt, da der Mensch für komplexe Tätigkeiten nicht mehr ausschließlich auf seine eigene Arbeitskraft angewiesen war.
Karl Marx kritisierte den Kapitalismus und die damit einhergehende Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit. Für ihn war Arbeit das Wesen des Menschen, doch in der kapitalistischen Produktionsweise wurde sie zur bloßen Ware. Die zunehmende Industrialisierung machte Arbeit zur zentralen Säule der Gesellschaft – eine Entwicklung, die bis ins 20. Jahrhundert anhielt.
20. Jahrhundert: Arbeitskämpfe, Rationalisierung und der Wohlfahrtsstaat
Die katastrophalen Bedingungen der Industrialisierung führten zu Gewerkschaftsbewegungen und Arbeitskämpfen. Die Einführung des Achtstundentags, Mindestlöhne und Sozialversicherungen verbesserten die Situation der Arbeiter schrittweise. Die Ford’sche Fließbandproduktion rationalisierte Arbeit weiter – Effizienz stieg, aber auch die Monotonie und Entfremdung.

Die Fließband- und Massenproduktion markierte Anfang 19. Jahrhundert den Übergang zu Arbeit 2.0.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stabilisierte sich die Arbeitswelt in den westlichen Ländern. Der Wohlfahrtsstaat sicherte Arbeitsrechte, und die zunehmende Bürokratisierung führte zur Ausbreitung von Verwaltungs- und Dienstleistungsberufen. Die Arbeitsgesellschaft hatte ihren Höhepunkt erreicht.
Digitalisierung und New Work: Arbeit im 21. Jahrhundert
Das digitale Zeitalter brachte erneut massive Veränderungen. Computer und das Internet revolutionierten die Arbeitswelt. Flexibles Arbeiten wurde möglich, neue Geschäftsmodelle entstanden. Die Trennung von Arbeitsort und Wohnort begann sich aufzulösen – ein Trend, der sich durch die COVID-19-Pandemie weiter verstärkte.

Die Erfindung des Computers und des Internets revolutionierte die Arbeitswelt erneut. Die Digitalisierung veränderte, was und wie Menschen arbeiten.
Fritjof Bergmann, Begründer des „New Work“-Konzepts, stellte in den 1970er Jahren die Frage, was Menschen wirklich arbeiten wollen. Er argumentierte, dass klassische Lohnarbeit überholt sei und Menschen mehr Selbstbestimmung über ihre Tätigkeiten erhalten sollten. Heute diskutieren wir über Remote Work, Automatisierung und die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt.
Fazit: Die Zukunft der Arbeit bleibt im Wandel
Die Geschichte der Arbeit zeigt: Sie war nie statisch, sondern immer im Fluss. Von der Überlebensnotwendigkeit der Jäger und Sammler über die gesellschaftliche Verachtung in der Antike, die religiöse Pflicht im Mittelalter, die Produktivitätsmaschine der Industrialisierung bis hin zu den aktuellen Fragen nach Flexibilität und Sinnhaftigkeit – Arbeit war stets Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen.
Die entscheidende Frage des 21. Jahrhunderts lautet nicht mehr nur, wie wir arbeiten, sondern warum und in welchem Maß. Welche Rolle spielt Arbeit in unserem Leben? Können wir ein Gleichgewicht zwischen Produktivität, persönlicher Erfüllung und Freizeit schaffen? Während neue Technologien alte Berufe verdrängen, eröffnen sie auch neue Möglichkeiten – die Zukunft der Arbeit bleibt offen.
Mehr dazu im Teil 2 unserer Serie “21 Tage New Work“.
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