Migration im 21. Jahrhundert: Warum wachsende Menschenströme unsere Zukunft bestimmen
Migration im 21. Jahrhundert: Warum wachsende Menschenströme unsere Zukunft bestimmen

Migration im 21. Jahrhundert: Warum wachsende Menschenströme unsere Zukunft bestimmen

Das TV-Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz am 9. Februar 2025 offenbarte nicht nur die tiefen Gräben in der deutschen Migrationspolitik, sondern spiegelte auch eine viel größere globale Dynamik wider.

Während Merz die Asylpolitik der Ampelkoalition scharf kritisierte und eine Verschärfung des Asylrechts inklusive Zurückweisungen an der Grenze forderte, konterte Scholz mit dem Vorwurf des Tabubruchs: Die Zusammenarbeit der Union mit der AfD bei der Durchsetzung migrationspolitischer Maßnahmen gefährde nicht nur den innerdeutschen Konsens, sondern auch die europäische Einheit. Überschattet wurde die hitzige Debatte von den jüngsten Ereignissen in Aschaffenburg, die das Thema Migration erneut ins Zentrum der politischen Bühne rückten.

Quelle: Zeit Online

Auffällig war die ungleiche Verteilung der Diskussionszeit: Die Asyl- und Migrationspolitik nahm 12,46 Minuten des TV-Duells ein, während das Thema Klimawandel nur 1,37 Minuten behandelt wurde. Diese Diskrepanz ist bemerkenswert, da der Klimawandel eines der drängendsten Zukunftsthemen der Politik darstellt und das Thema Migration in den kommenden Jahrzehnten weit dominieren wird. Migration und Klimawandel sind untrennbar miteinander verbunden – und doch wird dieser Zusammenhang in der politischen Debatte oft vernachlässigt.

Migration als politisches Schlüsselthema und globale Herausforderung

Doch während sich die Diskussionen häufig um kurzfristige politische Maßnahmen und nationale Sicherheitsfragen drehen, bleibt ein entscheidender Aspekt oft unbeachtet: die unausweichliche globale Migration der Menschheit, angetrieben durch den Klimawandel. Parag Khanna, Globalisierungsstratege und Mobilitätsexperte, stellt in seinem Buch Move (2021) die These auf, dass Migration nicht nur ein Symptom aktueller Krisen, sondern ein grundlegendes Merkmal der menschlichen Zivilisation ist – und in Zukunft unsere einzige Überlebensstrategie sein könnte.

Wo werden Sie 2030 leben? Wo werden Ihre Kinder 2040 eine neue Heimat finden? Und wie sieht die Landkarte der Menschheit im Jahr 2050 aus?mer eine Antwort auf Krisen, aber auch eine Chance.

„To adapt will mean to move.“ Mit diesem Satz bringt Khanna die zentrale Herausforderung unserer Zeit auf den Punkt. Klimawandel, wirtschaftliche Instabilität und technologische Umwälzungen werden Milliarden von Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Die entscheidende Frage ist also nicht, ob es Migration geben wird, sondern wie wir sie gestalten.

Das Buch “Move” von Parag Khanna (2021)

Das Zeitalter der Migration: Geschichte, Gegenwart und Zukunft

Migration ist kein neues Phänomen. Seit mehr als 60.000 Jahren, als die ersten Menschen begannen, sich über die Kontinente auszubreiten, ist Mobilität ein zentrales Merkmal menschlicher Existenz. Khanna erinnert daran, dass unsere Vorfahren nicht sesshaft waren – sie folgten Ressourcen, besseren klimatischen Bedingungen und stabileren Lebensgrundlagen. Kriege, Epidemien, Völkermorde und Revolutionen haben diesen Prozess nur beschleunigt. Migration war schonimmer die Antwort auf Krisen und Chancen gleichermaßen.

In der Geschichte gibt es unzählige Beispiele dafür, wie Migrationsbewegungen ganze Zivilisationen geprägt haben. Die Völkerwanderung in Europa nach dem Zerfall des Römischen Reiches, die Auswanderungswellen nach Nordamerika im 19. Jahrhundert aufgrund von Hungersnöten und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit oder die Industrialisierung, die Millionen von Menschen in neue urbane Zentren zog – all diese Ereignisse zeigen, dass Bewegung schon immer ein integraler Bestandteil menschlicher Entwicklung war.

Migration als unvermeidliche und notwendige Antwort auf globale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. 

Doch heute stehe man vor einer neuen Dimension der Migration. Laut Khanna stehen wir an der Schwelle zu einer Ära der Massenmigration, die nicht mehr nur durch lokale Krisen, sondern durch globale Megatrends wie Klimawandel, technologische Umwälzungen und demografische Ungleichgewichte angetrieben wird. Dieses neue Zeitalter wird nicht nur die ärmsten Bevölkerungsgruppen betreffen, sondern auch die wohlhabendsten Gesellschaften in Bewegung setzen.

Derzeit, so Khanna in seinem Buch, machen Migranten etwa drei Prozent der Weltbevölkerung aus, aber diese kleine Gruppe trägt etwa zehn Prozent zur globalen Wirtschaftsleistung bei. Prognosen gehen davon aus, dass sich dieser Anteil in den kommenden Jahrzehnten drastisch erhöhen wird. Schätzungen zufolge wird die Weltbevölkerung um 2040 mit neun Milliarden Menschen ihren Höchststand erreichen und danach wieder schrumpfen. Diese Zahlen sagen jedoch wenig über die Dynamik aus, die sich aus der Verteilung dieser Menschen über den Globus ergibt. Migration wird nicht mehr nur eine Frage von Armut und Krieg sein, sondern zur Normalität in einer zunehmend vernetzten und mobilen Welt.

Klimawandel als Motor der Migration: Fakten, Prognosen und globale Trends

Der Klimawandel ist vielleicht der größte Treiber für Migration im 21. Jahrhundert. Khanna betont, dass sich die Menschheit nicht nur an den Klimawandel anpassen muss – sie wird migrieren müssen, um zu überleben. Schon heute sind rund 50 Millionen Menschen auf der Flucht vor den Folgen des Klimawandels: Überschwemmungen, Dürren, Stürme und der Anstieg des Meeresspiegels zwingen sie, ihre Heimat zu verlassen.

Abbildung: Anstieg des Meeresspiegels. Die Grafik zeigt die Entwicklung des globalen Meeresspiegels seit 1993, wie sie von Satelliten beobachtet wurde. Infolge der globalen Erwärmung steigt der Meeresspiegel so stark wie seit 2.500 Jahren nicht mehr.
© NASA‘s Goddard Space Flight Center

Die Auswirkungen des Klimawandels lassen viele Küstenregionen buchstäblich im Meer versinken.

Doch das ist erst der Anfang. Laut einer Studie der US-amerikanischen National Academy of Science könnte diese Zahl auf 200 Millionen steigen, wenn die globale Durchschnittstemperatur nur um einen weiteren Grad ansteigt. Sollte die Erwärmung zwei Grad überschreiten – was trotz der Pariser Klimaziele immer wahrscheinlicher wird – könnten bis zu einer Milliarde Menschen gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen.

Besonders betroffen sind die Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Afrika, Teile Südamerikas und Südasiens leiden bereits heute unter den Folgen von Wetterextremen, Ernteausfällen und dem Anstieg des Meeresspiegels. Diese Regionen werden in den kommenden Jahrzehnten unbewohnbar werden, was zu massiven Fluchtbewegungen in Richtung Norden führen wird.


Abbildung: Gefährdete Bevölkerung. Menschen in küstennahen Metropolregionen müssen wegen Hochwasser immer wieder umziehen. Die farbigen Pfeile stellen Kreisläufe dar.  Rot: Menschen verlieren ihren Lebensraum und siedeln sich in einiger Entfernung von der Küste neu an. Dort werden sie nach kurzer Zeit von der nächsten Flut eingeholt.  Blau: Menschen ziehen an den Stadtrand. Es bilden sich informelle Siedlungen, die überflutet werden, die Menschen müssen sich neue Lebensräume suchen.  Grün: In den Slums werden die Menschen durch Gentrifizierung verdrängt und siedeln sich wieder auf freien Flächen an, die näher am Zentrum liegen. Neue informelle Siedlungen entstehen.
© MPG / CC BY-NC-SA 4.0

Doch auch wohlhabendere Länder werden nicht verschont bleiben. In den USA werden insbesondere die Küstenregionen betroffen sein. Millionen Menschen könnten gezwungen sein, ins Landesinnere zu ziehen, was neue soziale Spannungen erzeugen wird. Europa, das sich heute oft als Ziel von Migration sieht, könnte selbst zum Ausgangspunkt von klimabedingten Wanderungsbewegungen werden.


Migration ist kein Problem, sie ist eine Notwendigkeit.

Stellt man heute die Bevölkerungsverteilung der Menschheit auf einer Karte dar, so ergibt sich ein klares Bild. In Nordamerika und im pazifischen Raum sind vor allem die Küstenregionen dicht besiedelt. In Europa, Afrika und Asien gibt es dicht besiedelte Ballungsräume. Schauen wir in das Jahr 2050, so sieht die Karte wahrscheinlich ganz anders aus. Die daraus resultierenden Migrationsbewegungen werden Großstädte an ihre Kapazitätsgrenzen bringen (siehe Abbildung), ganze Länder entvölkern und gleichzeitig bisher unbesiedelte Landstriche mit neuem Leben füllen. 


Abbildung, Quelle: https://media.diercke.net

Technologie könnte eine Rolle dabei spielen, wie wir diesen Wandel gestalten. Khanna beschreibt Szenarien, in denen Pop-up-Städte entstehen, die nur zu bestimmten Jahreszeiten bewohnbar sind, oder neue Infrastrukturen geschaffen werden, um bisher unbewohnbare Regionen zu erschließen. Doch solche Lösungen werden nicht ausreichen, um die massiven Migrationsbewegungen aufzuhalten. Die Welt muss sich auf eine neue Geographie der Menschheit einstellen.

Migration als Chance: Handlungsempfehlungen für die Zukunft

Khanna macht deutlich, dass Migration nicht als Bedrohung, sondern als Chance gesehen werden muss. Während sich viele politische Debatten in Europa und den USA auf die Kontrolle von Migration konzentrieren, argumentiert Move, dass Mobilität das Schicksal der Menschheit ist – und dass wir lernen müssen, sie zu gestalten, anstatt sie zu bekämpfen.

Ein zentraler Aspekt ist die demografische Entwicklung in den reichen Ländern. In Europa, Japan und Nordamerika altert die Bevölkerung rapide. In den USA gehen jedes Jahr mehr als eine Million Babyboomer in Rente, ohne dass genügend junge Arbeitskräfte nachkommen. Migration ist hier nicht nur eine Notwendigkeit, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren, sondern auch eine Chance, um die Wirtschaft dynamisch zu halten.

Abbildung: Große Migrationsbewegungen werden uns zu einem neuen Zivilisationsmodell zwingen. Foto: WangXiNa

Darüber hinaus zeigt Khanna, dass die jüngeren Generationen – die so genannten Digital Natives – bereits heute viel mobiler und global vernetzter sind als ihre Vorgänger. Sie identifizieren sich weniger mit nationalen Grenzen und sind bereit, dort zu leben und zu arbeiten, wo sich ihnen die besten Chancen bieten. Diese Flexibilität könnte der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration von Migranten in neue Gesellschaften sein.


Abbildung: Große Migrationsbewegungen werden uns zu einem neuen Zivilisationsmodell zwingen. Foto: WangXiNa

Doch damit Migration tatsächlich als Chance genutzt werden kann, sind politische und gesellschaftliche Anpassungen notwendig. Khanna fordert:

  1. Offene und flexible Einwanderungspolitiken, die nicht auf Abschottung setzen, sondern auf die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt und Gesellschaft setzen.
  2. Investitionen in Bildung und Infrastruktur, um die Kapazitäten für wachsende Bevölkerungszahlen zu schaffen und soziale Spannungen zu vermeiden.
  3. Internationale Zusammenarbeit, um Migrationsbewegungen koordiniert zu steuern und globale Verantwortung zu übernehmen.
  4. Anpassung der Staatsbürgerschaftsrechte: Khanna schlägt die Einführung globaler digitaler Pässe vor, die nicht an Nationalität, sondern an Kompetenzen und Bedürfnisse gebunden sind.

Fazit: Migration als Gestaltungsaufgabe für die Zukunft

Parag Khannas Move fordert uns auf, Migration nicht als Ausnahmezustand oder Krise zu begreifen, sondern als natürlichen Zustand einer Welt im Wandel. In einer Zeit, in der Klimawandel, technologische Innovationen und demografische Verschiebungen unsere Lebensgrundlagen verändern, wird Mobilität zur Überlebensstrategie.

Die politische Debatte, wie sie im TV-Duell zwischen Scholz und Merz sichtbar wurde, zeigt, dass wir noch weit davon entfernt sind, Migration als gestaltbare Zukunftskraft zu begreifen. Genau das wird aber notwendig sein, wenn wir die Herausforderungen des 21. Migration ist nicht das Problem – Migration ist die Antwort.


Aktueller Nachtrag: Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum schreibt “klartext” an Trump bezüglich seiner Migrationspolitik und seines Mauerbaus.

“Sie haben also für den Bau einer Mauer gestimmt. Nun, liebe Amerikanerinnen und Amerikaner, auch wenn Sie nicht viel von Geographie verstehen, da Amerika für Sie Ihr Land und kein Kontinent ist, ist es wichtig, dass Sie wissen, bevor der erste Stein gesetzt wird, dass sich hinter dieser Mauer 7 Milliarden Menschen befinden. Aber da Sie mit dem Begriff “Menschen” nicht wirklich vertraut sind, werden wir sie “Konsumenten” nennen. Es gibt 7 Milliarden Verbraucher die bereit sind. ihre iPhones in weniger als 42 Stunden durch Geräte von Samsung oder Huawei zu ersetzen.
Sie können auch Levi’s durch Zara oder Massimo Duti ersetzen.
In weniger als sechs Monaten können wir problemlos aufhören, Autos von Ford oder Chevrolet zu kaufen und sie durch Autos von Tovota, KIA, Mazda, Honda, Hvundai, Volvo, Subaru, Renault oder BMW ersetzen, die technisch besser sind als die, die sie produzieren. Diese 7 Milliarden Menschen können auch aufhören. Direct TV zu abonnieren, was wir nicht wollen. aber wir können aufhören. Hollywood-Filme zu sehen, und anfangen, mehr lateinamerikanische oder europäische Produktionen zu sehen, die eine bessere Qualität, Botschaft, Filmtechnik und Inhalt haben.
Es mag unglaublich klingen, aber wir können Disneyland überspringen und ins Xcaret Resort in Cancun gehen. Mexiko, Kanada oder Europa: Es gibt noch viele andere großartige Reiseziele in Südamerika, Ostamerika und Europa. Und selbst in Mexiko gibt es bessere Hamburger als bei McDonald’s und sie haben einen höheren Nährwert.
Hat jemand die Pyramiden in den Vereinigten Staaten gesehen? In Ägypten, Mexiko, Peru, Guatemala, Sudan und anderen Ländern gibt es Pyramiden, die von unglaublichen Zivilisationen zeugen.
Finden Sie heraus, wo Sie diese Wunder der antiken und modernen Welt finden können. Keine davon in den USA. Schande über Trump, er hätte sie gekauft und verkauft!
Wir wissen, dass es Adidas gibt, nicht nur Nike, und wir können anfangen, mexikanische Turnschuhe wie Panam zu tragen. Wir wissen mehr, als man denkt. Wir wissen zum Beispiel, dass, wenn diese 7 Milliarden Konsumenten ihre Produkte nicht kaufen. es Arbeitslosigkeit geben wird und ihre Wirtschaft (innerhalb der rassistischen Mauer) so zusammenbrechen wird, dass sie uns anflehen werden, diese hässliche Mauer niederzureißen.
diese hässliche Mauer niederzureißen.
Wir wollten das nicht, aber …
Sie wollen eine Mauer, Sie bekommen eine Mauer.
Mit freundlichen Grüßen

Claudia Sheinbaum (Präsidentin von Mexiko)


Titelbild: freepik.com